Gitter, Aufseher, Verordnung. Gatekeeping am Pariser Nordbahnhof um 1850

Tom Ullrich

Tom Ullrich diskutiert in seinem Beitrag »Gitter, Aufseher, Verordnungen. Gatekeeping am Pariser Nordbahnhof um 1850« ein historisches Regime der Zugangsregulierung. Unter Bezugnahme auf publizierte Quellen und bislang unveröffentlichtes Archivmaterial skizziert er, wie der Zutritt zum Bahnhof und die Teilnahme am Eisenbahnverkehr (ankommen, warten, abfahren usw.) durch ein infrastrukturelles Set von personalen, räumlichen, dinglichen und zeichenhaft- diskursiven Akteuren organisiert wurden. Mit der auf Türen und Tore, Raumordnung, Gitter, Aufsichtspersonal und behördliche Verordnungen verteilten Agency dieser Gatekeeping-Konstellation etablierte sich eine Form der Humandifferenzierung, der zufolge reisende Bürger eingelassen, unliebsame Personengruppen (etwa Diebinnen oder aufdringliche Dienstleister) dagegen ferngehalten werden konnten. Die Relationen zwischen Stadt- und Eisenbahnverkehr sollten dadurch reguliert werden, dass ein Medienverbund des Gatekeeping nicht erst im Bahnhof, sondern bereits davor, d. h. auf dem vorgelagerten Hof und an dessen Eingangstor aktiv wurde. Aus der Perspektive einer medienkulturgeschichtlichen Infrastrukturforschung kann Ullrich nachvollziehbar machen, wie aufwendig die Einübung einer ›richtigen‹ Bahnhofsbenutzung Mitte des 19. Jahrhunderts war und welche Schwellen im Bahnhof Reisende und Nicht-Reisende voneinander trennten.

Ullrich, Tom (2025): »Gitter, Aufseher, Verordnung. Gatekeeping am Pariser Nordbahnhof um 1850«, in: Franziska Reichenbecher und Gabriele Schabacher (Hg.): Medien des Gatekeeping. Akteure, Architekturen, Prozesse, Bielefeld: Transcript, S. 153-180.